(Heimatrecht, Indigenat), die Eigenschaft als Unterthan in einem bestimmten Staatswesen. Im Bundesstaat ist der Staatsangehörige einer doppelten Herrschaft unterworfen; er steht unter der Staatsgewalt des Einzelstaates, welchem er angehört und er ist der Bundes- (Reichs-) Gewalt untergeordnet, welche in dem Gesamtstaat besteht, welchem jeder Einzelstaat zugehört. So ergibt sich für den Angehörigen des Deutschen Reiches eine S. oder ein Landesindigenat und eine Reichsangehörigkeit oder ein Bundesindigenat. Die Reichsangehörigkeit setzt die S. in einem deutschen Einzelstaat voraus, sie wird mit der S. erworben und endigt mit derselben. Nach dem Bundes- (Reichs-) Gesetz vom 1. Juni 1870 über den Erwerb und Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit wird die S.., mit welcher die Reichsangehörigkeit von selbst verbunden ist, erworben durch Abstammung von einem inländischen Vater und für uneheliche Kinder durch die Geburt von einer dem betreffenden Staat angehörigen Mutter, auch durch die nachfolgende Legitimation seitens des natürlichen Vaters; sodann seitens einer Ehefrau durch deren Verheiratung mit einem Staatsangehörigen und endlich für den Angehörigen eines Bundesstaates durch dessen Aufnahme in einem anderen (Überwanderung) und für Ausländer oder Nichtdeutsche durch die Naturalisation (Einwanderung) derselben. Beides, Aufnahme u. Naturalisation, erfolgen durch die obere Verwaltungsbehörde des betreffenden Staates und zwar die Aufnahme kostenfrei. Der Hauptunterschied zwischen Aufnahme und Naturalisierung besteht darin, daß die Aufnahme jedem Angehörigen eines anderem Bundesstaates erteilt werden muß, wenn er darum nachsucht und zugleich nachweist, daß er in dem Bundesstaat in welchem er um die Aufnahme nachsucht, sich niedergelassen habe; es müßte denn einer der Fälle vorliegen, in welchem nach dem Freizügigkeitsgesetz die Abweisung eines Neuanziehenden oder die Versagung der Fortsetzung des Aufenthaltes als gerechtfertigt erscheint. Dagegen besteht keine Verpflichtung zur Naturalisierung eines Ausländers, deren allgemeinen Voraussetzungen Dispositionsfähigkeit resp. Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, Unbescholtenheit, Wohnung am Orte der Niederlassung und die Fähigkeit sich und seine Angehörigen ernähren zu können, sind. Bei Staats-, Kirchen- und Gemeindedienern vertritt die Bestallung die Aufnahme oder die Naturalisationsurkunde. Die S. geht verloren durch zehnjährigen ununterbrochenen Aufenthalt im Ausland, es seihe denn, daß sich der Betreffende im Besitz eines Reisepapiers oder Heimatscheins befindet; durch Verheiratung einer Inländerin mit einem Ausländer oder mit einem Angehörigen eines anderen Bundesstaates, sowie bei dem unehelichen Kind einer inländischen Frauensperson durch die Legitimation seitens des ausländischen Vaters. Außerdem geht die S. verloren durch die Entlassung, welche unbedingt zu erteilen ist, wenn der zu entlassende in einem anderen Deutschen Staat die S. erworben hat. Die Entlassung ist gegenüber Wehrpflichtigen vom vollendeten 17. Bis zum 25. Lebensjahr zu beanstanden, desgleichen Militärpersonen und den zum aktiven Dienst einberufenen Reservisten und Landwehrleuten gegenüber. Ferner kann ein Deutscher der S. für verlustig erklärt werden, wenn er ohne Erlaubnis seiner Regierung in fremde Staatsdienste tritt, oder wenn er im Fall eines Krieges oder einer Kriegsgefahr im Ausland sich aufhält und einer Aufforderung zur Rückkehr innerhalb der hierzu gesetzten Frist keine Folge leistet. Dagegen geht die S. nicht verloren, wenn man in einem anderen Staat naturalisiert wird wie dies in Frankreich der Fall ist. Deutschen welchen die S. durch zehnjährigen  Aufenthalt im Ausland verloren haben, kann die S. in dem früheren Heimatstaat wieder verliehen werden, auch wenn sie sich in diesem Heimatstaat nicht wiederum niederlassen, wofern sie keine anderweitige S. erworben haben. Sie muß ihnen wieder verliehen werden, wenn sie sich dort wieder niederlassen, selbst wenn sie inzwischen eine andere S erworben haben sollten. Übrigens wird jene zehnjährige Frist durch Eintrag in die Matrikel eines Reichskonsuls auf weitere zehn Jahre unterbrochen. Die Bescheinigung über die S. heißt Staatsangehörigkeits – Ausweis (Heimatschein).

Quelle:

Meyer´s Konversationslexikon 1890, vierte Auflage, fünfzehnter Band, Seite 198