Was dagegen die Konföderation (Föderation) anbetrifft, so wird zwischen Staatenbund (lat. Confoederatio civitatum, ital. Confederazione degli stati) und Bundesstaat (Bundesreich, Föderativstaat, Gesamtreich, Gesamtstaat, Staatenstaat, Civitas foederata s. composita, von den italienischen PublizistenStato federativo genannt) unterschieden. Beim Staatenbund wie bei dem Bundesstaat ist eine Mehrheit von Staaten mit besonderen Staatsgebieten und Staatsregierungen und wofern die letzteren monarchische sind, auch mit verschiedenen Staatsherrschern vorhanden. Beide sind im Gegensatz zu der nur vorübergehenden Allianz auf die Dauer berechnet, beide stellen ferner einen politischen Organismus mit einer Zentralgewalt dar. Allein bei dem Staatenbund sind es immer nur bestimmte Aufgaben, welche den Zweck des Bundes bilden, Der Bundesstaat sucht den Zweck des Staates überhaupt zu erfüllen. Der Staatenbund ist vorwiegend Bund, der Bundesstaat ist vorwiegend Staat. Der Staatenbund ist ein völkerrechtlicher Verein mit internationalem Charakter, der Bundesstaat ist ein wirtschaftliches Staatswesen mit nationalem Charakter. So war die Schweiz bis 1848 nur ein Staatenbund, während sie jetzt vermöge der Verfassung vom 12. September 1848 ein Bundesstaat ist. Auch die vereinigten Staaten von Nordamerika sind ein solcher, und als dritter Bundesstaat kommt das gegenwärtige Deutsche Reich hinzu, während der vormalige Deutsche Bund ein bloßer Staatenbund war.

Freilich entspricht in Deutschland der gegenwärtige Sprachgebrauch des praktischen politischen Lebens dem theoretischen Schulbegriff nicht. Denn man pflegt offiziell die einzelnen verbündeten deutschen Staaten als Bundesstaaten zu bezeichnen, während theoretisch der Gesamtstaat, zu welchem sie vereinigt sind, also das Deutsche Reich, der Bundesstaat ist.

Im einzelnen treten namentlich folgende Gegensätze hervor: Im vormaligen Deutschen Bund als einem bloßen Staatenbund waren die einzelnen Staaten völlig souverän. Das Organ dieses Bundes, der Frankfurter Bundestag, setzte sich lediglich aus den instruierten Bevollmächtigten der verschiedenen souveränen Bundesregierungen zusammen. Der Angehörige des einzelnen Staates stand zu jenem Zentralorgan in keiner direkten Beziehung, sondern die Bundesbeschlüsse hatten nur für die verbündeten Regierungen, nicht aber für die von diesen Regierten rechtsverbindliche Kraft. Sie erhielten diese für die Angehörigen der einzelnen Staaten vielmehr erstdadurch, daß sie von der betreffenden Einzelregierung als Gesetz verkündet wurden. Daß Deutsche Reich als Gesamtstaat hat dagegen ein wirkliche Staatsgewalt im Gegensatz zu der lediglich vertragsmäßig geschaffenen Zentralgewalt des Staatenbundes In der Unterordnung unter jene Staatsgewalt des Gesamtstaates liegt eine Beschränkung der Souveränität der einzelnen Regierungen Das Reich übt ferner eine wirkliche gesetzgebende Gewalt aus, die Reichsgesetze gehen den Landesgesetzen vor, und sie erhalten ihre rechtverbindliche Kraft für die Untertanen des Reiches und der Einzelstaaten durch die Verkündigung von Reichs wegen. Dem vormaligen deutschen Bundesrat entspricht jetzt der Bundesrat. Über ihm steht in dem Deutschen Reich als einem wirtschaftlichen konstitutionellen Staat im Reichstag eine Volksvertretung zur Seite. An der Spitze dieses Gesamtstaates steht ein einzelner Monarch, welcher die Reichsgesetze verkündet und vollzieht, auch das Reich öffentlich zu vertreten hat, namens des selben den Krieg erklärt und Frieden schließt.

-Auszug-

Quelle:

Meyer´s Konversationslexikon 1890, vierte Auflage, fünfzehnter Band, Seite 198