Definition Anerkennung im Auszug bezüglich des Völkerrechts aus dem Jahre 1890
Im Völkerrecht ist die A. namentlich dann von Wichtigkeit, wenn es sich um ein bestimmtes Recht einer Nation, einer Schuldforderung u. dgl. handelt, weil hier im Streit bei dem Mangel eines entscheidenden richterlichen Urteils und völliger Klarheit des bestimmten Rechts die Motive der Ehre und die öffentlichen Interessen und Rücksichten nie so sehr von erfolgter A. für die Erfüllung der Verbindlichkeiten wirken, als nach dem diese ausgesprochen ist. Von noch höherer Bedeutung aber erscheint die A. dann, wenn es sich entweder um die völkerrechtliche Existenz oder Souveränität des Staates überhaupt oder um die völkerrechtliche Geltung seiner Verfassung und Regierung handelt. Die A. ist hier allerdings weder Grund noch Bedingung der Souveränität des anerkannten Staates, denn der Staat soll bereits als souveräne Persönlichkeit dastehen, bevor er auf die A. Anspruch macht. Der positive Inhalt der A. besteht vielmehr darin, daß man den anzuerkennenden Staat als eine konstituierte völkerrechtliche Persönlichkeit betrachtet, und das man einen völkerrechtlichen Verkehr mit ihm für möglich hält und anknüpft. Große Nationen pflegen, wie wir aus der Geschichte lernen, eine allgemeine A. für ihre Staatsumwälzungen viel leichter zu erlangen als kleinere. Sehr schwierig ist dabei die Frage, wie weit und nach welchem Prinzipien die A. eintreten darf, wenn ein Teil eines Staates sich von demselben losreißt oder wenn zwei Parteien in einem Land um die Herrschaft kämpfen. Als ein zweckmäßiges Auskunftsmittel wird hierbei die Entsendung diplomatischer Agenten ohne gesandtschaftlichen Charakter empfohlen, doch ist in diesen Fällen Vorsicht geboten. S. auch Allianz.
Quelle:
Meyers Konversations Lexikon 1890, vierte Auflage, erster Band, Seite 562
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Anerkennung (völkerrechtliche)
Völkerrechtliche Willenserklärung eines Staates (bzw. einer Staatengruppe) gegenüber einem später
entstandenen Staat oder gegenüber einer im Ergebnis einer sozialen Revolution (unter Unterbrechung einer verfassungsrechtlichen Kontinuität) zur Macht gelangten Regierung, durch die dieser Staat (bzw. diese Staatengruppe) bekundet, welche Beziehungen er (sie) zu dem neuen Staat bzw. der neuen Regierung herstellen will. Die rechtliche und politische Bedeutung der A. besteht darin, daß sie Klarheit über das Bestehen völkerrechtlicher Beziehungen zwischen dem anerkennenden und dem anerkannten Staat (bzw. der anerkannten neuen Regierung) schafft, daß sie eindeutig die Bereitschaft des anerkennenden Staates zur gleichberechtigten internationalen Zusammenarbeit mit dem anerkannten Staat (bzw. der neuen Regierung) zum Ausdruck bringt und damit der Festigung und dem Ausbau der friedlichen internationalen Beziehungen dient und daß sie die internationale politische Stellung des neuen Staates (bzw. der neuen Regierung) festigt. Während die A. ein einseitiger Akt ist, wird die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, deren Charakter sowie die Errichtung diplomatischer Vertretungen zwischen den beteiligten Staaten vereinbart. Es werden zwei Arten der A. unterschieden: Die De-facto-A. (genau wie die De-jure-A. ein völkerrechtlicher Rechtsakt) hat einen vorläufigen, begrenzten Charakter und kann zurückgenommen werden. Sie führt noch nicht zur Herstellung umfassender normaler diplomatischer Beziehungen, sondern erst zur Entwicklung verschiedenartiger anderer zwischenstaatlicher Beziehungen. Die De-facto – A. bereitet im allgemeinen die De-jure-A. vor. Die De-jure-A. ist eine endgültige und umfassende A. Die De-jure-A. öffnet den Weg zu umfassenden internationalen Beziehungen zwischen den betreffenden Staaten auf allen Gebieten. Sie führt zur Herstellung diplomatischer Beziehungen und zum Austausch entsprechender diplomatischer Vertretungen. Beide Formen der A. können ausdrücklich (durch ein entsprechendes diplomatisches Schriftstück) oder durch konkludentes, d.h. übereinstimmendes schlüssiges Handeln (z. B. Abschluß eines völkerrechtlichen Vertrages, Austausch diplomatischer Vertretungen) vorgenommen werden. Sowohl von der De-jure-A. wie auch von der De-facto-A. ist die reine tatsächliche Kenntnisnahme von der Existenz eines neuen Staates und die faktische Respektierung seiner Souveränitätsrechte zu unterscheiden. Keinerlei rechtliche Bedeutung hat die A. für die Völkerrechtssubjektivität neuer Staaten (Völkerrecht) und für deren sich aus ihrer Eigenschaft als Völkerrechtssubjekt ergebenden unabdingbaren Rechtsanspruch auf uneingeschränkte Achtung ihrer Souveränitätsrechte durch alle Staaten, einschließlich derer, die eine A. nicht ausgesprochen haben. Dieser völkerrechtliche Rechtsgrundsatz ist durch die von der XXV. UNO – Vollversammlung am 24.10.1970 einstimmig angenommenen „Deklaration über Prinzipien des Völkerrechts, betreffend die freundschaftlichen Beziehungen und die Zusammenarbeit zwischen den Staaten in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen“ ausdrücklich als Bestandteil des zwingenden völkerrechtlichen Grundprinzips der souveränen Gleichheit der Staaten bestätigt worden.
Quelle:
Kleines Politisches Wörterbuch Dietz Verlag 1973 S. 32 bis 33