Fürst (althochdeutsch furisto; lat. princeps) bedeutet den Vordersten oder Obersten (so auch der First des Hauses, Gebirges u. dgl.), den Führer oder Häuptling eines polit. Verbandes. Bei den german. Völkerschaften werden principes erwähnt, deren rechtliche Stellung in der <<Germania>> des Tacitus beschrieben wird. Danach wurden sie in den Volksversammlungen gewählt; sie waren die Obrigkeit in Krieg und Frieden, erledigten geringere Angelegenheiten selbständig, bereiteten die wichtigern Sachen für die Volksversammlungen vor, leiteten die Gerichtsverhandlungen, vertraten die Gemeinde bei Opfern und andern religiösen Zeremonien sowie beim Verkehr mit anderen Völkerschaften. Es ist nicht zu bezweifeln, daß zum Amt des Fürsten vorzugsweise Männer von vornehmer Abkunst (nobiles) und hervorragender Stellung gewählt wurden und daß in der altgerman. Verfassung ein sehr wichtiges aristokratisches Element durch diese den uradligen Geschlechtern angehörenden Häuptlinge sich geltend machte. Durch die Entwicklung des Königtums trat allmählich der Dienstadel an die Stelle des Uradels und der königl. Beamte (Graf) an die Stelle des Völksfürsten. Im frühern Mittelalter hat der Ausdruck Fürst oder princeps zunächst keine specifisch jurist. Bedeutung; er bezeichnet überhaupt die hervorragenden Personen des Landes (meliores terrae), ohne Beschränkung auf eine bestimmt abgegrenzte Klasse. Seit dem 11. Jahrh. erhebt sich jedoch ein Fürstenstand im engern Sinne aus dem Landesadel; zu demselben werden nur diejenigen Personen gerechnet, welche Reichslehne unmittelbar vom Kaiser empfangen und keinen anderen weltlichen Lehnsherrn als den Kaiser oder einen König haben. (S. Fürstenlehn). Dagegen wurde es für vereinbar mit der fürstl. Stellung gehalten, von einem geistlichen Stift Lehne zu haben, nach dem Vorgange des sächs. Hauses, welches selbst bei der Erlangung der Kaiserwürde die Kirchenlehne beibehalten hatte.

Man unterschied hiernach geistliche Fürsten (Erzbischöfe, Bischöfe und Übte und Übtissinnen), welche die Regalien unlittelbar vom Kaiser empfingen, und weltliche Fürsten, welche vom Kaiser mit der herzogl. Gewalt über ein Gebiet beliehen wurden. Hinsichtlich der gesitlichen Fürsten wurde der langjährige Streit über die Investitur derselben durch das Wormser Konkordat von 1122 dahin entschieden, daß der Kaiser nicht befugt sei, dieselben nach eigenem Ermessen zu ernennen, sondern daß sie nach den Vorschriften des Kirchenrechts gewählt werden müßten. Der ordnungsmäßig Gewählte mußte aber vom Kaiser sich mit den Temporalien belehnen lassen und ihm den lehnsrechtlichen Treueid leisten. Als Symbol sollte bei der Investitur statt des früher üblichen Stabes und Ringes, worin der Papst eine unzulässige Hinweisung auf das geistliche Hirtenamt sach, das Scepter gebraucht werden; die geistlichen Fürstentümer hießen deshalb Scepterlehne. Diesen gestlichen Fürsten wurde von den Kaisern vom 9. bis 12. Jahrh. ein großer Teil des Reichsgebietes zur Verwaltung übertragen, um in ihnen ein Gegengewicht gegen die weltlichen Fürstengeschlechter zu bilden; seit dem Investiturstreit kehrte sich diese Macht aber gegen das Kaisertum und trug in der hohenstaufischen Zeit vorzüglich zur Zerstörung des leßtern bei; der von den geistlichen Fürsten dem Kaiser geleistete Treueid erwies sich als ein gänzlich unzulängliches Mittel, um sie von Empörung und Verrat zurückzuhalten. Durch die Säkularisation von 1803 wurden alle geistlichen Fürsten in Deutschland beseitigt; auf dem Wiener Kongresse erstrebte der Papst vergeblich ihre Wiederherstellung. Zu den weltlichen Fürsten gehörten die Herzöge, Markgrafen, Pfalzgrafen und einige von der herzogl. Gewalt befreite, vom Kaiser unmittelbar belehnte Grafen, welche zum Teil den Titel Landgrafen annahmen. Bei der Belehnung wurde das Symbol, die Fahne, angewendet, weshalb die weltlichen Fürstentümer Fahnenlehne (f. d.) hießen.

Die weltlichen Fürstentümer waren, wie alle Lehne, seit dem 11. Jahrh. erblich geworben; aus dem ursprünglichen Fürstenamt, welches der Kaiser einer bestimmten Person verlieh, wurde daher ein nur durch Urteilsspruch der Genossen (Fürstengericht, f. d.) entziehbares, bestimmten Familien erblich zustehendes Besitzrecht hinsichtlich eines Territoriums. Diese privatrechtliche Ausbildung des Fürstentums hatte die Teilbarkeit des selben bei Erbfällen zur Folge, und erst allmählich wurde, um der daraus hervorgehenden Zersplitterung des Familienbesitzes vorzubeugen, in den Fürstenhäusern die Unteilbarkeit des Territorialbesitzes und eine dieselbe sichernde Erbfolgeordnung (f. Primogenitur) eingeführt.

Quelle:

Brockhaus' Konversations-Lexikon, 14 Auflage 1893,