Publikandunt. Vom 26. Juni 1867.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen etc., thun kund und fügen hiermit im Namen des Norddeutschen Bundes zu wissen:
Nachdem die Verfassung des Norddeutschen Bundes von Uns, Seiner Majestät dem Könige von Sachsen, Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Hessen und bei Rhein, Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Mecklenburg-Schwerin, Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Sachsen-Weimar-Eisenach, Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Mecklenburg-Strelitz, Seiner Königlichen Hoheit dem Großherzoge von Oldenburg, Seiner Hoheit dem Herzoge von Braunschweig und Lüneburg, Seiner Hoheit dem Herzoge von Sachsen-Meiningen und Hildburghausen, Seiner Hoheit dem Herzoge von Sachsen-Altenburg, Seiner Hoheit dem Herzoge zu Sachsen-Koburg und Gotha, Seiner Hoheit dem Herzoge von Anhalt, Seiner Durchlaucht dem Fürsten zu Schwarzburg-Rudolstadt, Seiner Durchlaucht dem Fürsten zu Schwarzburg-Sondershausen, Seiner Durchlaucht dem Fürsten zu Waldeck und Pyrmont, Ihrer Durchlaucht der Fürstin und Seiner Durchlaucht dem Fürsten Reuß älterer Linie, Seiner Durchlaucht dem Fürsten Reuß jüngerer Linie, Seiner Durchlaucht dem Fürsten von Schaumburg-Lippe, Seiner Durchlaucht dem Fürsten zur Lippe, dem Senate der freien und Hansestadt Lübeck, dem Senate der freien Hansestadt Bremen, dem Senate der freien und Hansestadt Hamburg, mit dem zu diesen Zweck berufenen Reichstage vereinbart worden, ist dieselbe in dem ganzen Umfange des Norddeutschen Bundesgebietes, wie folgt:
Verfassung des Norddeutschen Bundes
[vom 16. April 1867]
Seine Majestät der König von Preußen, Seine Majestät der König von Sachsen, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Schwerin, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Mecklenburg-Strelitz, Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Oldenburg, Seine Hoheit der Herzog von Braunschweig und Lüneburg, Seine Hoheit der Herzog von Sachsen-Meiningen und Hildburghausen, Seine Hoheit der Herzog zu Sachsen-Altenburg, Seine Hoheit der Herzog zu Sachsen-Koburg und Gotha, Seine Hoheit der Herzog von Anhalt, Seine Durchlaucht der Fürst zu Schwarzburg-Rudolstadt, Seine Durchlaucht der Fürst zu Schwarzburg-Sondershausen, Seine Durchlaucht der Fürst zu Waldeck und Pyrmont, Ihre Durchlaucht die Fürstin Reuß ältere Linie, Seine Durchlaucht der Fürst Reuß jüngere Linie, Seine Durchlaucht der Fürst von Schaumburg-Lippe, Seine Durchlaucht der Fürst zur Lippe, der Senat der freien und Hansestadt Lübeck, der Senat der freien Hansestadt Bremen, der Senat der freien und Hansestadt Hamburg, jeder für den gesammten Umfang ihres Staatsgebietes, und Seine Königliche Hoheit der Großherzog von Hessen und bei Rhein, für die nördlich vom Main belegenen Theile des Großherzogthums Hessen, schließen einen ewigen Bund zum Schutze des Bundesgebietes und des innerhalb desselben gültigen Rechtes, sowie zur Pflege der Wohlfahrt des Deutschen Volkes. Dieser Bund wird den Namen des Norddeutschen führen und wird nachstehende Verfassung haben.
Das Bundesgebiet besteht aus den Staaten Preußen mit Lauenburg. Sachsen, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Strelitz, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen-Meinigen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen, Waldeck, Reuß ältere Linie, Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen, Hamburg und aus den nördlich vom Main belegenen Theilen des Großherzogtums Hessen.
Innerhalb dieses Bundesgebietes übt der Bund das Recht der Gesetzgebung nach Maaßgabe des Inhalts dieser Verfassung und mit der Wirkung aus, daß die Bundesgesetze den Landesgesetzen vorgehen. Die Bundesgesetze erhalten ihre verbindliche Kraft durch ihre Verkündung von Bundes wegen, welche vermittelst eines Bundesgesetzblattes geschieht. Sofern nicht in dem publizirten Gesetze ein anderer Anfangstermin seiner verbindlichen Kraft bestimmt ist, beginnt die letztere mit dem vierzehnten Tage nach dem Ablauf desjenigen Tages, an welchem das betreffende Stück des Bundesgesetzblattes in Berlin ausgegeben worden ist.
[1] Für den ganzen Umfang des Bundesgebietes besteht ein gemeinsames Indigenat mit der Wirkung, daß der Angehörige (Unterthan, Staatsbürger) eines jeden Bundesstaates in jedem andern Bundesstaate als Inländer zu behandeln und demgemäß zum festen Wohnsitz, zum Gewerbebetriebe, zu öffentlichen Ämtern, zur Erwerbung von Grundstücken, zur Erlangung des Staatsbürgerrechts und zum Genusse aller sonstigen bürgerlichen Rechte unter denselben Voraussetzungen wie der Einheimische zuzulassen, auch in Betreff der Rechtsverfolgung und des Rechtsschutzes demselben gleich zu behandeln ist.
[2] In der Ausübung dieser Befugniß darf der Bundesangehörige weder durch die Obrigkeit seiner Heimath, noch durch die Obrigkeit eines anderen Bundesstaates beschränkt werden.
[3] Diejenigen Bestimmungen, welche die Armenversorgung und die Aufnahme in den lokalen Gemeindeverband betreffen, werden durch den im ersten Absatz ausgesprochenen Grundsatz nicht berührt.
[4] Ebenso bleiben bis auf Weiteres die Verträge in Kraft, welche zwischen den einzelnen Bundesstaaten in Beziehung auf die Übernahme von Auszuweisenden, die Verpflegung erkrankter und die Beerdigung verstorbener Staatsangehöriger bestehen.
[5] Hinsichtlich der Erfüllung der Militairpflicht im Verhältniß zu dem Heimathslande wird im Wege der Bundesgesetzgebung das Nöthige geordnet werden.
[6] Dem Auslande gegenüber haben alle Bundesangehörigen gleichmäßig Anspruch auf den Bundesschutz.
Der Beaufsichtigung Seitens des Bundes und der Gesetzgebung desselben unterliegen die nachstehenden Angelegenheiten: |
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1) die Bestimmungen über Freizügigkeit, Heimaths- und Niederlassungsverhältnisse, Staatsbürgerrecht, Paßwesen und Fremdenpolizei und über den Gewerbebetrieb, einschließlich des Versicherungswesens, soweit diese Gegenstände nicht schon durch den Artikel 3 dieser Verfassung erledigt sind, desgleichen über die Kolonisation und die Auswanderung nach außerdeutschen Ländern; 2) die Zoll- und Handelsgesetzgebung und die für Bundeszwecke zu verwendenden Steuern; 3) die Ordnung des Maaß-, Münz- und Gewichtssystems, nebst Feststellung der Grundsätze über die Emission von fundirtem und unfundirtem Papiergelde; 4) die allgemeinen Bestimmungen über das Bankwesen; 5) die Erfindungspatente; 6) der Schutz des geistigen Eigenthums; 7) Organisation eines gemeinsamen Schutzes des Deutschen Handels im Auslande, der deutschen Schiffahrt und ihrer Flagge zur See und Anordnung gemeinsamer konsularischer Vertretung, welche vom Bundes ausgestattet wird; 8) das Eisenbahnwesen und die Herstellung von Land- und Wasserstraßen im Interesse der Landesvertheidigung und des allgemeinen Verkehrs; 9) der Flößerei- und Schiffahrtsbetrieb auf den mehrere Staaten gemeinsamen Wasserstraßen und der Zustand der letzteren, sowie die Fluß- und sonstigen Wasserzölle; 10) das Post- und Telegraphenwesen; 11) Bestimmungen über die wechselseitige Vollstreckung von Erkenntnissen in Civilsachen und Erledigung von Requisitionen überhaupt; 12) sowie über die Beglaubigung von öffentlichen Urkunden; 13) die gemeinsame Gesetzgebung über das Obligationenrecht, Strafrecht, Handels- und Wechselrecht und das gerichtliche Verfahren; 14) das Militairwesen des Bundes und die Kriegsmarine; 15) Maaßregeln der Medizinal- Veterinairpolizei. |
[1] Die Bundesgesetzgebung wird ausgeübt durch den Bundesrath und den Reichstag. Die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse beider Versammlungen ist zu einem Bundesgesetze erforderlich und ausreichend.
[2] Bei Gesetzesvorschlägen über das Militairwesen und die Kriegsmarine giebt, wenn im Bundesrathe eine Meinungsverschiedenheit stattfindet, die Stimme des Präsidiums den Ausschlag, wenn sie sich für die Aufrechterhaltung der bestehenden Einrichtung ausspricht.
Der Bundesrath besteht aus den Vertretern der Mitglieder des Bundes, unter welchen die Stimmführung sich nach Maaßgabe der Vorschriften für das Plenum des ehemaligen Deutschen Bundes vertheilen, so daß Preußen mit den ehemaligen Stimmen
von Hannover, Kurhessen, Holstein, Nassau und Frankfurt führt, |
17 Stimmen |
Sachsen ...................................................................... | 4 |
Hessen ....................................................................... | 1 |
Mecklenburg-Schwerin ................................................... | 2 |
Sachsen-Weimar ........................................................... | 1 |
Mecklenburg-Strelitz ...................................................... | 1 |
Oldenburg .................................................................... | 1 |
Braunschweig ............................................................... | 2 |
Sachsen-Meiningen ....................................................... | 1 |
Sachsen-Altenburg ........................................................ | 1 |
Sachsen-Coburg-Gotha .................................................. | 1 |
Anhalt ........................................................................ | 1 |
Schwarzburg-Rudolstadt ................................................ | 1 |
Schwarzburg-Sondershausen .......................................... | 1 |
Waldeck ...................................................................... | 1 |
Reuß ältere Linie ........................................................... | 1 |
Reuß jüngere Linie ......................................................... | 1 |
Schaumburg-Lippe ........................................................ | 1 |
Lippe .......................................................................... | 1 |
Lübeck ........................................................................ | 1 |
Bremen ....................................................................... | 1 |
Hamburg ..................................................................... | 1 |
Summa | 43. |
[1] Jedes Mitglied des Bundes kann so viel Bevollmächtigte zum Bundesrathe ernennen, wie es Stimmen hat; doch kann die Gesammtheit der zuständigen Stimmen nur einheitlich abgegeben werden. Nicht vertretene oder nicht instruirte Stimmen werden nicht gezählt.
[2] Jedes Bundesglied ist befugt, Vorschläge zu machen und in Vortrag zu bringen, und das Präsidium ist verpflichtet, dieselben der Berathung zu übergeben. Die Beschlußfassung erfolgt mit einfacher Mehrheit. Bei Stimmengleichheit giebt die Präsidialstimme den Ausschlag.
[1] Der Bundesrath bildet aus seiner Mitte dauernde Ausschüsse | |
1) für das Landheer und die Festungen; 2) für das Seewesen; 3) für Zoll- und Steuerwesen; 4) für Handel und Verkehr; 5) für Eisenbahnen, Post und Telegraphen; 6) für Justizwesen; 7) für Rechnungswesen. |
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[2] In jedem dieser Ausschüsse werden außer dem Präsidium mindestens zwei Bundesstaaten vertreten sein, und führt innerhalb derselben jeder Staat nur Eine Stimme. Die Mitglieder der Ausschüsse zu 1. und 2. Werden von dem Bundesfeldherrn ernannt, die der übrigen von dem Bundesrathe gewählt. Die Zusammensetzung dieser Ausschüsse ist für jede Session des Bundesrathes resp. Mit jedem Jahre zu erneuern, wobei die ausscheidenden Mitglieder wieder wählbar sind. Den Ausschüssen werden die zu ihren Arbeiten nöthigen Beamten zur Verfügung gestellt. |
Jedes Mitglied des Bundesrathes hat das Recht, im Reichstage zu erscheinen und muß daselbst auf Verlangen jederzeit gehört werden, um die Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch dann, wenn dieselben von der Majorität des Bundesrathes nicht adoptirt worden sind. Niemand kann gleichzeitig Mitglied des Bundesrathes und des Reichstages sein.
Dem Bundespräsidium liegt es ob, den Mitgliedern des Bundesrathes den üblichen diplomatischen Schutz zu gewähren.
[1] Das Präsidium des Bundes steht der Krone Preußen zu, welche in Ausübung desselben den Bund völkerrechtlich zu vertreten, im Namen des Bundes Krieg zu erklären und Frieden zu schließen, Bündnisse und andere Verträge mit fremden Staaten einzugehen, Gesandte zu beglaubigen und zu empfangen berechtigt ist.
[2] Insoweit die Verträge mit fremden Staaten sich auf solche Gegenstände beziehen, welche nach Artikel 4 in den Bereich der Bundesgesetzgebung gehören, ist zu ihrem Abschluß die Zustimmung des Bundesrathes und zu ihrer Gültigkeit die Genehmigung des Reichstages erforderlich.
Dem Präsidium steht es zu, den Bundesrath und den Reichstag zu berufen, zu eröffnen, zu vertagen und zu schließen.
Die Berufung des Bundesrathes und des Reichstages findet alljährlich statt, und kann der Bundesrath zur Vorbereitung der Arbeiten ohne den Reichstag, letzterer aber nicht ohne den Bundesrath berufen werden.
Die Berufung des Bundesrathes muß erfolgen, sobald sie von einem Drittel der Stimmenzahl verlangt wird.
[1] Der Vorsitz im Bundesrathe und die Leitung der Geschäfte steht dem Bundeskanzler zu, welcher vom Präsidium zu ernennen ist.
[2] Derselbe kann sich durch jedes andere Mitglied des Bundesrathes vermöge schriftlicher Substitution vertreten lassen.
Das Präsidium hat die erforderlichen Vorlagen nach Maaßgabe der Beschlüsse des Bundesrathes an den Reichstag zu bringen, wo sie durch Mitglieder des Bundesrathes oder durch besondere von letzterem zu ernennenden Kommissaren vertreten werden.
Dem Präsidium steht die Ausfertigung und Verkündung der Bundesgesetze und die Überwachung der Ausführung derselben zu. Die Anordnungen und Verfügungen des Bundespräsidiums werden im Namen des Bundes erlassen und bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers, welcher dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt.
Das Präsidium ernennt die Bundesbeamten, hat dieselben für den Bund zu vereidigen und erforderlichen Falles ihre Entlassung zu verfügen.
[1] Wenn Bundesglieder ihre verfassungsmäßigen Bundespflichten nicht erfüllen, so können sie dazu im Wege der Exekution angehalten werden. Diese Exekution ist |
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a) in Betreff militairischer Leistungen, wenn Gefahr im Verzuge, von dem Bundesfeldherrn anzuordnen und zu vollziehen, b) in allen anderen Fällen aber von dem Bundesrathe zu beschließen und von dem Bundesfeldherrn zu vollstrecken. |
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[2] Die Exekution kann bis zur Sequestration des betreffenden Landes und seiner Regierungsgewalt ausgedehnt werden. In den unter a. bezeichneten Fällen ist dem Bundesrathe von Anordnung der Exekution, unter Darlegung der Beweggründe, ungesäumt Kenntniß zu geben. |
Der Reichstag geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor, welche bis zum Erlaß eines Reichswahlgesetzes nach Maaßgabe des Gesetzes zu erfolgen haben, auf Grund dessen der erste Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt worden ist.
[1] Beamte bedürfen keines Urlaubs zum Eintritt in den Reichstag.
[2] Wenn ein Mitglied des Reichstages in dem Bunde oder einem Bundesstaat ein besoldetes Staatsamt annimmt oder im Bundes- oder Staatsdienste in ein Amt eintritt, mit welchem ein höherer Rang oder ein höheres Gehalt verbunden ist, so verliert es Sitz und Stimme in dem Reichstag und kann seine Stelle in demselben nur durch neue Wahl wieder erlangen.
[1] Die Verhandlungen des Reichstages sind öffentlich.
[2] Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Reichstages bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.
Der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des Bundes Gesetze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem Bundesrathe resp. Bundeskanzler zu überweisen.
Die Legislaturperiode des Reichstages dauert drei Jahre. Zur Auflösung des Reichstages während derselben ist ein Beschluß des Bundesrathes unter Zustimmung des Präsidiums erforderlich.
Im Falle der Auflösung des Reichstages müssen innerhalb eines Zeitraumes von 60 Tagen nach derselben die Wähler und innerhalb eines Zeitraumes von 90 Tagen nach der Auflösung der Reichstag versammelt werden.
Ohne Zustimmung des Reichstages darf die Vertagung desselben die Frist von 30 Tagen nicht übersteigen und während derselben Session nicht wiederholt werden.
Der Reichstag prüft die Legitimation seiner Mitglieder und entscheidet darüber. Er regelt seinen Geschäftsgang und seine Disziplin durch eine Geschäftsordnung und erwählt seinen Präsidenten, seine Vizepräsidenten und Schriftführer.
Der Reichstag beschließt mit absoluter Stimmenmehrheit. Zur Gültigkeit der Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehrheit der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder erforderlich.
Die Mitglieder des Reichstages sind die Vertreter des gesammten Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden.
Kein Mitglied des Reichstages darf zu irgend einer Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Äußerungen gerichtlich oder disziplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Verhandlung zur Verantwortung gezogen werden.
[1] Ohne Genehmigung des Reichstages kann keine Mitglied desselben während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, außer wenn es bei Ausübung der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird.
[2] Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden erforderlich.
[3] Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Untersuchungs- oder Civilhaft für die Dauer der Sitzungsperiode aufgehoben.
Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen.
[1] Der Bund bildet ein Zoll- und Handelsgebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze. Ausgeschlossen bleiben die wegen ihrer Lage zur Einschließung in die Zollgrenze nicht geeigneten einzelnen Gebietstheile.
[2] Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundesstaates befindlich sind, können in jeden anderen Bundesstaat eingeführt und dürfen in letzterem einer Abgabe nur insoweit unterworfen werden, als daselbst gleichartige inländische Erzeugnisse einer inneren Steuer unterliegen.
Die Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg mit einem dem Zweck entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes bleiben als Freihäfen außerhalb der gemeinsamen Zollgrenze, bis sie ihren Einschluß in dieselbe beantragen.
Der Bund ausschließlich hat die Gesetzgebung über das gesammte Zollwesen, über die Besteuerung des Verbrauches von einheimischen Zucker, Branntwein, Salz, Bier und Taback, sowie über die Maaßregeln, welche in den Zollausschlüssen zur Sicherung der gemeinsamen Zollgrenze erforderlich sind.
[1] Die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern (Art. 35) bleibt jedem Bundesstaate, soweit derselbe sie bisher ausgeübt hat, innerhalb seines Gebietes überlassen.
[2] Das Bundespräsidium überwacht die Einhaltung des gesetzlichen Verfahrens durch Bundesbeamte, welche es den Zoll- oder Steuerämtern und den Direktivbehörden der einzelnen Staaten, nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrathes für Zoll- und Steuerwesen, beiordnet.
[1] Der Bundesrath beschließt: | |
1) über die dem Reichstage vorzulegenden oder von demselben angenommenen unter die Bestimmung des Art. 35 fallenden gesetzlichen Anordnungen einschließlich der Handels- und Schiffahrtsverträge; 2) über die zur Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) dienenden Verwaltungsvorschriften und Einrichtungen; 3) über Mängel, welche bei der Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35) hervortreten; 4) über die von seinen Rechnungsbehörden ihm vorgelegte Feststellung der in die Bundeskasse fließenden Abgaben (Art. 39). |
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[2] Jeder über die Gegenstände zu 1. bis 3. von einem Bundesstaate oder über die Gegenstände zu 4. von einem kontrolirenden Beamten bei dem Bundesrathe gestellte Antrag unterliegt der gemeinschaftlichen Beschlußnahme. Im Falle der Meinungsverschiedenheiten giebt die Stimme des Präsidiums bei den zu 1. und 2. bezeichneten alsdann den Ausschlag, wenn sie sich für Aufrechterhaltung der bestehenden Vorschrift oder Einrichtung ausspricht; in allen übrigen Fällen entscheidet die Mehrheit der Stimmen nach dem in Artikel 6 dieser Verfassung festgestellten Stimmverhältniß. |
[1] Der Ertrag der Zölle und der in Art. 35 bezeichneten Verbrauchsabgaben fließt in die Bundeskasse. |
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1) der auf Gesetzen oder allgemeinen Verwaltungsvorschriften beruhenden Steuer-Vergütungen und Ermäßigungen; 2) der Erhebungs- und Verwaltungskosten, und zwar: |
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a) bei den Zöllen und der Steuer von inländischem Zucker, soweit diese Kosten nach den Verabredungen unter den Mitgliedern des Deutschen Zoll- und Handelsvereins der Gemeinschaft aufgerechnet werden konnten; b) bei der Steuer von inländischem Salze - sobald solche, sowie ein Zoll von ausländischem Salze unter Aufhebung des Salzmonopols eingeführt sein wird - mit dem Betrage der auf Salzwerken erwachsenden Erhebungs- und Aufsichtskosten; c) bei den übrigen Steuern mit funfzehn Prozent der Gesammteinnahme. |
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[3] Die außerhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze liegenden Gebiete tragen zu den Bundesausgaben durch Zahlung eines Aversums bei. |
[1] Die von den Erhebungsbehörden der Bundesstaaten nach Ablauf eines jeden Vierteljahres aufzustellenden Quartalsextrakte und die nach dem Jahres- und Bücherschlusse aufzustellenden Finalabschlüsse über die im Laufe des Vierteljahres beziehungsweise während des Rechnungsjahres fällig gewordenen Einnahmen an Zöllen und Verbrauchsabgaben werden von den Direktivbehörden der Bundesstaaten, nach vorangegangener Prüfung, in Hauptübersichten zusammengestellt und diese an den Ausschuß des Bundesrathes für das Rechnungswesen übersandt.
[2] Der Letztere stellt auf Grund dieser Übersichten von drei zu drei Monaten den von der Kasse jedes Bundesstaates der Bundeskasse schuldigen Betrag vorläufig fest und setzt von dieser Feststellung den Bundesrath und die Bundesstaaten in Kenntniß, legt auch alljährlich die schließliche Feststellung jener Beträge mit seinen Bemerkungen dem Bundesrathe zur Beschlußnahme vor.
[1] Die Bestimmungen in dem Zollvereinigungsvertrage vom 16. Mai 1865, in dem Vertrage über die gleiche Besteuerung innerer Erzeugnisse vom 28. Juni 1864, in dem Vertrage über den Verkehr mit Taback und Wein von demselben Tage und im Artikel 2 des Zoll- und Anschlußvertrages vom 11. Juli 1864, desgleichen in den Thüringischen Vereinsverträgen bleiben zwischen den bei diesen Verträgen betheiligten Bundesstaaten in Kraft, soweit sie nicht durch die Vorschriften der gegenwärtigen Verfassung abgeändert sind und so lange sie nicht auf dem im Artikel 37 vorgezeichneten Wege abgeändert werden.
[2] Mit diesen Beschränkungen finden die Bestimmungen des Zollvereinigungs-Vertrages vom 16. Mai 1865 auch auf diejenigen Bundesstaaten und Gebietstheile Anwendung, welche dem Deutschen Zoll- und Handelsvereine zur Zeit nicht angehören.
[1] Eisenbahnen, welche im Interesse der Vertheidigung des Bundesgebietes oder im Interesse des gemeinsamen Verkehrs für nothwendig erachtet werden, können kraft eines Bundesgesetzes auch gegen die Widerspruch der Bundesglieder, deren Gebiet die Eisenbahnen durchschneiden, unbeschadet der Landeshoheitsrechte, für Rechnung des Bundes angelegt oder an Privatunternehmer zur Ausführung konzessionirt und mit dem Expropriationsrechte ausgestattet werden.
[2] Jede bestehende Eisenbahnverwaltung ist verpflichtet, sich den Anschluß neuangelegter Eisenbahnen auf Kosten der letzteren gefallen zu lassen.
[3] Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bestehenden Eisenbahn-Unternehmungen ein Widerspruchsrecht gegen die Anlegung von Parallel- oder Konkurrenzbahnen einräumen, werden, unbeschadet bereits erworbener Rechte, für das ganze Bundesgebiet hierdurch aufgehoben. Ein solches Widerspruchsrecht kann auch in den künftig zu ertheilenden Konzessionen nicht weiter verliehen werden.
Die Bundesregierungen verpflichten sich, die im Bundesgebiet gelegenen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz verwalten und zu diesem Behuf auch die neu herzustellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.
Es sollen demgemäß in thunlichster Beschleunigung übereinstimmende Betriebseinrichtungen getroffen, insbesondere gleiche Bahnpolizei-Reglements eingeführt werden. Der Bund hat dafür Sorge zu tragen, daß die Eisenbahnverwaltungen die Bahnen jederzeit in einem, die nöthige Sicherheit gewährenden baulichen Zustande erhalten und dieselben mit Betriebsmaterial so auszurüsten, wie das Verkehrsbedürfnis es erheischt.
Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, die für den durchgehenden Verkehr und zur Herstellung ineinander greifender Fahrpläne nöthigen Personenzüge mit entsprechender Geschwindigkeit, desgleichen die zur Bewältigung des Güterverkehrs nöthigen Güterzüge einzuführen, auch direkte Expeditionen im Personen- und Güterverkehr, unter Gestattung des Überganges der Transportmittel von einer Bahn auf eine andere, gegen die übliche Vergütung einzurichten.
Dem Bundes steht die Kontrole über das Tarifwesen zu. Derselbe wird namentlich dahin wirken: | |
1) daß baldigst auf den Eisenbahnen im Gebiete des Bundes übereinstimmende Betriebsreglements eingeführt werden; 2) daß die möglichste Gleichmäßigkeit und Herabsetzung der Tarife erzielt, insbesondere daß bei größeren Entfernungen für den Transport von Kohlen, Koaks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen ein dem Bedürfniß der Landwirthschaft und Industrie entsprechender Tarif, und zwar zunächst thunlichst der Ein-Pfennig-Tarif eingeführt werde. |
Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebensmittel, sind die Eisenbahnverwaltungen verpflichtet, für den Transport namentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und Kartoffeln, zeitweise einen dem Bedürfniß entsprechenden, von dem Bundespräsidium auf Vorschlag des betreffenden Bundesraths-Ausschusses festzustellenden, niedrigen Spezialtarif einzuführen, welcher jedoch nicht unter den niedrigsten auf der betreffenden Bahn für Rohprodukte geltenden Satz herabgehen darf.
Den Anforderungen der Bundesbehörden in Betreff der Benutzung der Eisenbahnen zum Zweck der Vertheidigung des Bundesgebietes haben sämmtliche Eisenbahnverwaltungen unweigerlich Folge zu leisten. Insbesondere ist das Militär und alles Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern.
VIII.
Post- und Telegraphenwesen.
[1] Das Post- und Telegraphenwesen werden für das gesammte Gebiet des Norddeutschen Bundes als einheitliche Staatsverkehrs-Anstalten eingerichtet und verwaltet.
[2] Die im Artikel 4 vorgesehene Gesetzgebung des Bundes in Post- und Telegraphen-Angelegenheiten erstreckt sich nicht auf diejenigen Gegenstände, deren Regelung nach den gegenwärtig in der Preußischen Post- und Telegraphenverwaltung maaßgebenden Grundsätzen der reglementarischen Festsetzung oder administrativen Anordnung überlassen ist.
Die Einnahmen des Post- und Telegraphenwesens sind für den ganzen Bund gemeinschaftlich. Die Ausgaben werden aus den gemeinschaftlichen Einnahmen bestritten. Die Überschüsse fließen in die Bundeskasse (Abschnitt XII).
[1] Dem Bundespräsidium gehört die obere Leitung der Post- und Telegraphenverwaltung an. Dasselbe hat die Pflicht und das Recht, dafür zu sorgen, daß Einheit in der Organisation der Verwaltung und im Betriebe des Dienstes, sowie in der Qualifikation der Beamten hergestellt und erhalten wird.
[2] Das Präsidium hat für den Erlaß der reglementarischen Festsetzungen und allgemeinen administrativen Anordnungen, sowie für die ausschließliche Wahrnehmung der Beziehungen zu anderen Deutschen und außerdeutschen Post- und Telegraphenverwaltungen Sorge zu tragen.
[3] Sämmtliche Beamte der Post- und Telegraphenverwaltung sind verpflichtet, den Anordnungen des Bundespräsidiums Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Diensteid aufzunehmen.
[4] Die Anstellung der bei den Verwaltungsbehörden der Post und Telegraphie in den verschiedenen Bezirken erforderlichen oberen Beamten (z. B. Direktoren, Räthe, Ober-Inspektoren), ferner die Anstellung der zur Wahrnehmung des Aufsichts- usw. Dienstes in den einzelnen Bezirken als Organe der erwähnten Behörden fungirenden Post- und Telegraphenbeamten (z. B. Inspektoren, Kontroleure) geht für das ganze Gebiet des Norddeutschen Bundes von dem Präsidium aus, welchem diese Beamten den Diensteid leisten. Den einzelnen Landesregierungen wird von den in Rede stehenden Ernennungen, soweit dieselben ihre Gebiete betreffen, Behufs der landesherrlichen Bestätigung und Publikation rechtzeitig Mittheilung gemacht werden.
[5] Die anderen bei den Verwaltungsbehörden der Post und Telegraphie erforderlichen Beamten, sowie alle für den lokalen und technischen Bereich bestimmten, mithin bei den eigentlichen Betriebsstellen fungirenden Beamten u.s.w. werden von den betreffenden Landesregierungen angestellt.
[6] Wo eine selbstständige Landes-Post- respektive Telegraphen-Verwaltung nicht besteht, entscheiden die Bestimmungen der besonderen Verträge.
[1] Zur Beseitigung der Zersplitterung des Post- und Telegraphenwesens in den Hansestädten wird die Verwaltung und der Betrieb der verschiedenen dort befindlichen Post- und Telegraphen-Anstalten nach näherer Anordnung des Bundespräsidiums, welches den Senaten Gelegenheit zur Äußerung ihrer hierauf bezüglichen Wünsche geben wird, vereinigt. Hinsichtlich der dort befindlichen Deutschen Anstalten ist eine Vereinigung sofort auszuführen.
[2] Mit den außerdeutschen Regierungen, welche in den Hansestädten noch Postrechte besitzen oder ausüben, werden die zu dem vorstehenden Zweck nöthigen Vereinbarungen getroffen werden.
[1] Bei Überweisung des Überschusses der Postverwaltung für allgemeine Bundeszwecke (Artikel 49) soll, in Betracht der bisherigen Verschiedenheit der von den Landes-Postverwaltungen der einzelnen Gebiete erzielten Rein-Einnahmen, zum Zwecke einer entsprechenden Ausgleichung während der unten festgesetzten Übergangszeit folgendes Verfahren beobachtet werden.
[2] Aus den Postüberschüssen, welche in den einzelnen Postbezirken während der fünf Jahre 1861 bis 1865 aufgekommen sind, wird ein durchschnittlicher Jahresüberschuß berechnet, und der Antheil, welcher jeder einzelne Postbezirk an dem für das gesammte Gebiet des Norddeutschen Bundes sich darnach herausstellenden Postüberschuß gehabt hat, nach Prozenten festgestellt.
[3] Nach Maaßgabe des auf diese Weise festgestellten Verhältnisses werden aus den im Bunde aufkommenden Postüberschüssen während der nächsten acht Jahre den einzelnen Staaten, die sich für dieselben ergebenden Quoten auf ihre sonstigen Beiträge zu Bundeszwecken zu Gute gerechnet.
[4] Nach Ablauf der acht Jahre hört jene Unterscheidung auf, und fließen die Postüberschüsse in ungetheilter Aufrechnung nach dem Artikel 49 enthaltenen Grundsatz der Bundeskasse zu.
[5] Von den während der vorgedachten acht Jahre für die Hansestädte sich herausstellenden Quoten des Postüberschusses wird alljährlich vorweg die Hälfte dem Bundespräsidium zur Disposition gestellt zu dem Zwecke, daraus zunächst die Kosten für die Herstellung normaler Posteinrichtungen in den Hansestädten zu bestreiten.
[1] Die Bundeskriegsmarine ist eine einheitliche unter Preußischem Oberbefehl. Die Organisation und Zusammensetzung derselben liegt Seiner Majestät dem Könige von Preußen ob, welcher die Offiziere und Beamten der Marine ernennt, und für welchen dieselben nebst den Mannschaften eidlich in Pflicht zu nehmen sind.
[2] Der Kieler Hafen und der Jadehafen sind Bundes-Kriegshäfen.
[3] Der zur Gründung und Erhaltung der Kriegsflotte und der damit zusammenhängenden Anstalten erforderliche Aufwand wird aus der Bundeskasse bestritten.
[4] Die gesammte seemännische Bevölkerung des Bundes, einschließlich des Maschinenpersonals und der Schiffshandwerker, ist vom Dienste im Landheere befreit, dagegen zum Dienste in der Bundesmarine verpflichtet.
[5] Die Vertheilung des Ersatzbedarfes findet nach Maaßgabe der vorhandenen seemännischen Bevölkerung statt, und die hiernach von jedem Staate gestellte Quote kommt auf die Gestellung zum Landheere in Abrechnung.
[1] Die Kauffahrteischiffe aller Bundesstaaten bilden eine einheitliche Handelsmarine.
[2] Der Bund hat das Verfahren zur Ermittlung der Ladungsfähigkeit der Seeschiffe zu bestimmen, die Ausstellung der Meßbriefe, sowie der Schiffscertifikate zu regeln und die Bedingungen festzustellen, von welchen die Erlaubniß zur Führung eines Seeschiffes abhängig ist.
[3] In den Seehäfen und auf allen natürlichen und künstlichen Wasserstraßen der einzelnen Bundesstaaten werden die Kauffahrteischiffe sämmtlicher Bundesstaaten gleichmäßig zugelassen und behandelt. Die Abgaben, welche in den Seehäfen von den Seeschiffen oder deren Ladungen für die Benutzung der Schiffahrtsanstalten erhoben werden, dürfen die Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung dieser Anstalten erforderlichen Kosten nicht übersteigen.
[4] Auf allen natürlichen Wasserstraßen dürfen Abgaben nur für die Benutzung besonderer Anstalten, die zur Erleichterung des Verkehrs bestimmt sind, erhoben werden. Diese Abgaben, sowie die Abgaben für die Befahrung solcher künstlichen Wasserstraßen, welche Staatseigenthum sind, dürfen die zur Unterhaltung und gewöhnlichen Herstellung der Anstalten und Anlagen erforderlichen Kosten nicht übersteigen. Auf die Flößerei finden diese Bestimmungen insoweit Anwendung, als dieselbe auf schiffbaren Wasserstraßen betrieben wird.
[5] Auf fremde Schiffe oder deren Ladungen andere oder höhere Abgaben zu legen, als von den Schiffen der Bundesstaaten oder deren Ladungen zu entrichten sind, steht keinem Einzelstaat, sondern nur dem Bundes zu.
Die Flagge der Kriegs- und Handelsmarine ist schwarz-weiß-roth.
[1] Das gesammte Norddeutsche Konsulatswesen steht unter der Aufsicht des Bundespräsidiums, welches die Konsuln, nach Vernehmung des Ausschusses des Bundesrathes für Handel und Verkehr, anstellt.
[2] In dem Amtsbezirk des Bundeskonsuln, dürfen neue Landeskonsulate nicht errichtet werden. Die Bundeskonsuln üben für die in ihrem Bezirk nicht vertretenen Bundesstaaten die Funktionen eines Landeskonsuls aus. Die sämmtlichen bestehenden Landeskonsulate werden aufgehoben, sobald die Organisation der Bundeskonsulate dergestalt vollendet ist, daß die Vertretung der Einzelinteressen aller Bundesstaaten als durch die Bundeskonsulate gesichert von dem Bundesrathe anerkannt wird.
Jeder Norddeutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen.
Die Kosten und Lasten des gesammten Kriegswesens des Bundes sind von allen Bundesstaaten und ihren Angehörigen gleichmäßig zu tragen, so daß weder Bevorzugungen, noch Prägravationen einzelner Staaten oder Klassen grundsätzlich zulässig sind. Wo die gleiche Vertheilung der Lasten sich in natura nicht herstellen läßt, ohne die öffentliche Wohlfahrt zu schädigen, ist die Ausgleichung nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit im Wege der Gesetzgebung festzustellen.
[1] Jeder wehrfähige Norddeutsche gehört sieben Jahre lang, in der Regel vom vollendeten 20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre, dem stehenden Heere - und zwar die ersten drei Jahre bei den Fahnen, die letzten vier Jahre in der Reserve - und die folgenden fünf Lebensjahre der Landwehr an. In denjenigen Bundesstaaten, in denen bisher eine längere als zwölfjährige Gesammtdienstzeit gesetzlich war, findet die allmälige Herabsetzung der Verpflichtung nur in dem Maaße statt, als dies die Rücksicht auf die Kriegsbereitschaft des Bundesheeres zuläßt.
[2] In Bezug auf die Auswanderung der Reservisten sollen lediglich diejenigen Bestimmungen maaßgebend sein, welche für die Auswanderung der Landwehrmänner gelten.
Die Friedens-Präsenzstärke des Bundesheeres wird bis zum 31. Dezember 1871 auf Ein Prozent der Bevölkerung von 1867 normirt, und wird pro rata derselben von den einzelnen Bundesstaaten gestellt. Für die spätere Zeit wird die Friedens-Präsenzstärke des Heeres im Wege der Bundesgesetzgebung gestgestellt.
[1] Nach Publikation dieser Verfassung ist in dem ganzen Bundesgebiete die gesammte Preußische Militairgesetzgebung ungesäumt einzuführen, sowohl die Gesetze selbst, als die zu ihrer Ausführung, Erläuterungen oder Ergänzungen erlassenen Reglements, Instruktionen und Reskripte, namentlich also das Militair-Strafgesetzbuch vom 3. April 1845, die Militair-Strafgerichtsordnung vom 3. April 1845, die Verordnung über die Ehrengerichte vom 20. Juli 1843, die Bestimmungen über Aushebung, Dienstzeit, Servis- und Verpflegungswesen, Einquartierung, Ersatz von Flurbeschädigungen, Mobilmachung u.s.w. für Krieg und Frieden. Die Militair-Kirchenordnung ist jedoch ausgeschlossen.
[2] Nach gleichmäßiger Durchführung der Bundeskriegs-Organisation wird das Bundespräsidium ein umfassendes Bundes-Militairgesetz dem Reichstage und dem Bundesrathe zur verfassungsmäßigen Beschlußfassung vorlegen.
[1] Zur Bestreitung des Aufwandes für das gesammte Bundesheer und die zu demselben gehörigen Einrichtungen sind bis zum 31. Dezember 1871 dem Bundesfeldherrn jährlich sovielmal 225 Thaler, in Worten zweihundert fünf und zwanzig Thaler, als die Kopfzahl der Friedensstärke des Heeres nach Artikel 60 beträgt, zur Verfügung zu stellen. Vergl. Abschnitt XII.
[2] Die Zahlung dieser Beträge beginnt mit dem ersten des Monats nach Publikation der Bundesverfassung.
[3] Nach dem 31. Dezember 1871 müssen diese Beträge von den einzelnen Staaten des Bundes zur Bundeskasse fortgezahlt werden. Zur Berechnung derselben wird die im Artikel 60 interimistisch festgestellte Friedens-Präsenzstärke so lange festgehalten, bis sie durch ein Bundesgesetz abgeändert ist.
[4] Die Verausgabung dieser Summe für das gesammte Bundesheer und dessen Einrichtungen wird durch das Etatsgesetz festgestellt.
[5] Bei der Feststellung des Militair-Ausgabe-Etats wird die auf Grundlage dieser Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des Bundesheeres zu gelegt.
[1] Die gesammte Landmacht des Bundes wird ein einheitliches Heer bilden, welches in Krieg und Frieden unter dem Befehle Seiner Majestät des Königs von Preußen als Bundesfeldherrn steht.
[2] Die Regimenter etc. führen fortlaufende Nummern durch die ganze Bundes-Armee. Für die Bekleidung sind die Grundfarben und der Schnitt der Königlich Preußischen Armee maaßgebend. Dem betreffenden Kontingentsherrn bleibt es überlassen, die äußeren Abzeichen (Kokarden etc.) zu bestimmen.
[3] Der Bundesfeldherr hat die Pflicht und das Recht, dafür Sorge zu tragen, daß innerhalb des Bundesheeres alle Truppentheile vollzählig und kriegstüchtig vorhanden sind und daß Einheit in der Organisation und Formation, in Bewaffnung und Kommando, in der Ausbildung der Mannschaften, sowie in der Qualifikation der Offiziere hergestellt und erhalten wird. Zu diesem Behufe ist der Bundesfeldherr berechtigt, sich jederzeit durch Inspektionen von der Verfassung der einzelnen Kontingente zu überzeugen und die Abstellung der dabei vorgefundenen Mängel anzuordnen.
[4] Der Bundesfeldherr bestimmt den Präsenzstand, die Gliederung und Eintheilung der Kontingente der Bundesarmee, sowie die Organisation der Landwehr, und hat das Recht, innerhalb des Bundesgebietes die Garnisonen zu bestimmen, sowie die kriegsbereite Aufstellung eines jeden Theils der Bundesarmee anzuordnen.
[5] Behufs Erhaltung der unentbehrlichen Einheit in der Administration, Verpflegung, Bewaffnung und Ausrüstung aller Truppentheile des Bundesheeres sind die bezüglichen künftig ergehenden Anordnungen für die Preußische Armee den Kommandeuren der übrigen Bundeskontingente, durch den Artikel 8 Nr. 1 bezeichneten Ausschuß für das Landheer und die Festungen, zur Nachachtung in geeigneter Weise mitzutheilen.
[1] Alle Bundestruppen sind verpflichtet, den Befehlen des Bundesfeldherrn unbedingte Folge zu leisten. Diese Verpflichtung ist in den Fahneneid aufzunehmen.
[2] Der Höchstkommandirende eine Kontingents, sowie alle Offiziere, welche Truppen mehr als eines Kontingents befehligen, und alle Festungskommandanten werden von dem Bundesfeldherrn ernannt. Die von demselben ernannten Offiziere leisten ihm den Fahneneid. Bei Generalen und den Generalstellungen versehenden Offizieren innerhalb des Bundeskontingents ist die Ernennung von der jedesmaligen Zustimmung des Bundesfeldherrn abhängig zu machen.
[3] Der Bundesfeldherr ist berechtigt, Behufs Versetzungen mit oder ohne Beförderung für die von Ihm im Bundesdienste, sei es im Preußischen Heere, oder in anderen Kontingenten zu besetzenden Stellen aus den Offizieren aller Kontingente des Bundesheeres zu wählen.
Das Recht, Festungen innerhalb des Bundesgebietes anzulegen, steht dem Bundesfeldherrn zu, welcher die Bewilligung der dazu erforderlichen Mittel, soweit das Ordinarium sie nicht gewährt, nach Abschnitt XII beantragt.
[1] Wo nicht besondere Konventionen ein Anderes bestimmen, ernennen die Bundesfürsten, beziehentlich die Senate die Offiziere ihrer Kontingente, mit der Einschränkung des Artikels 64. Sie sind Chefs aller ihren Gebieten angehörenden Truppentheile und genießen die damit verbundenen Ehren. Sie haben namentlich das Recht der Inspizirung zu jeder Zeit und erhalten, außer den regelmäßigen Rapporten und Meldungen über vorkommende Veränderungen, Behufs der nöthigen landesherrlichen Publikation, rechtzeitige Mittheilung von den die betreffenden Truppentheile berührenden Avancements und Ernennungen.
[2] Auch steht ihnen das Recht zu, zu polizeilichen Zwecken nicht blos ihre eigenen Truppen zu verwenden, sondern auch alle anderen Truppentheile der Bundesarmee, welche in ihren Ländergebieten dislocirt sind, zu requiriren.
Ersparnisse an dem Militairetat fallen unter keinen Umständen einer einzelnen Regierung, sondern jederzeit der Bundeskasse zu.
Der Bundesfeldherr kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Theil desselben in Kriegszustand erklären. Bis zum Erlaß eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und die Wirkungen einer solchen Erklärung regelnden Bundesgesetzes gelten dafür die Vorschriften des Preußischen Gesetzes vom 4. Juni 1851 (Gesetz-Samml. für 1851 S. 451. ff.).
Alle Einnahmen und Ausgabe des Bundes müssen für jedes Jahr veranschlagt und auf den Bundeshaushaltsetat gebracht werden. Letzterer wird vor Beginn des Etatsjahres nach folgenden Grundsätzen durch ein Gesetz festgestellt.
Zur Bestreitung aller gemeinschaftlichen Ausgaben dienen zunächst die etwaigen Überschüsse der Vorjahre, sowie die aus den Zöllen, den gemeinschaftlichen Verbrauchssteuern und aus dem Post- und Telegraphenwesen fließenden gemeinschaftlichen Einnahmen. Insoweit dieselben durch diese Einnahmen nicht gedeckt werden, sind sie, so lange Bundessteuern nicht eingeführt sind, durch Beiträge der einzelnen Bundesstaaten nach Maaßgabe ihrer Bevölkerung aufzubringen, welche bis zur Höhe des budgetmäßigen Betrages durch das Präsidium ausgeschrieben werden.
[1] Die gemeinschaftlichen Ausgaben werden in der Regel für ein Jahr bewilligt, können jedoch in besonderen Fällen auch für eine längere Dauer bewilligt werden.
[2] Während der im Artikel 60 normirten Übergangszeit ist der nach Titeln geordnete Etat über die Ausgaben für das Bundesheer dem Bundesrathe und dem Reichstage nur zur Kenntnißnahme und zur Erinnerung vorzulegen.
Über die Verwendung aller Einnahmen des Bundes ist von dem Präsidium dem Bundesrathe und dem Reichstage zur Entlastung jährlich Rechnung zu legen.
In Fällen eines außerordentlichen Bedürfnisses können im Wege der Bundesgesetzgebung die Aufnahme einer Anleihe, sowie die Übernahme einer Garantie zu Lasten des Bundes erfolgen.
XIII.
Schlichtung von Streitigkeiten und Strafbestimmungen.
Jedes Unternehmen gegen die Existenz, die Integrität, die Sicherheit oder die Verfassung des Norddeutschen Bundes, endlich die Beleidigung des Bundesrathes, des Reichstages, eines Mitgliedes des Bundesrathes oder des Reichstages, einer Behörde oder eines öffentlichen Beamten des Bundes, während dieselben in der Ausübung ihres Berufes begriffen sind oder in Beziehung auf ihren Beruf, durch Wort, Schrift, Druck, Zeichen, bildliche oder andere Darstellung, werden in den einzelnen Bundesstaaten beurtheilt und bestraft nach Maaßgabe der in den letzteren bestehenden oder künftig in Wirksamkeit tretenden Gesetze, nach welchen eine gleiche gegen den einzelnen Bundesstaat, seine Verfassung, seine Kammern oder Stände, seine Kammern- oder Ständemitglieder, seine Behörden und Beamten begangene Handlung zu richten wäre.
[1] Für diejenigen in Art. 74 bezeichneten Unternehmungen gegen den Norddeutschen Bund, welche, wenn gegen einen der einzelnen Bundesstaaten gerichtet, als Hochverrath oder Landesverrath zu qualifiziren wären, ist das gemeinschaftliche Ober-Appellationsgericht der drei freien und Hansestädte in Lübeck die zuständige Spruchbehörde in erster und letzter Instanz.
[2] Die näheren Bestimmungen über die Zuständigkeit und das Verfahren des Ober-Appellationsgerichts erfolgen im Wege der Bundesgesetzgebung. Bis zum Erlasse eines Bundesgesetzes bewendet es bei der seitherigen Zuständigkeit der Gerichte in den einzelnen Bundesstaaten und den auf das Verfahren dieser Gerichte sich beziehenden Bestimmungen.
[1] Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Bundesstaaten, sofern dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den kompetenten Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen des einen Theils von dem Bundesrathe erledigt.
[2] Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren Verfassungen nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten bestimmt ist, hat auf Anrufen eines Theiles der Bundesrath gütlich auszugleichen oder, wenn das nicht gelingt, im Wege der Bundesgesetzgebung zu Erledigung zu bringen.
Wenn in einem Bundesstaate der Fall der Justizverweigerung eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht erlangt werden kann, so liegt dem Bundesrathe ob, erwiesene, nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen des betreffenden Bundesstaates zu beurtheilende Beschwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hülfe bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken.
Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der Gesetzgebung, jedoch ist zu denselben im Bundesrathe eine Mehrheit von zwei Dritteln der vertretenen Stimmen erforderlich.
XV.
Verhältniß zu den Süddeutschen Staaten.
[1] Die Beziehungen des Bundes zu den Süddeutschen Staaten werdensofort nach Feststellung der Verfassung des Norddeutschen Bundes, durch besondere dem Reichstage zur Genehmigung vorzulegende Verträge, geregelt werden.
[2] Der Eintritt der Süddeutschen Staaten oder eines derselben in den Bund erfolgt auf den Vorschlag des Bundespräsidiums im Wege der Bundesgesetzgebung.
unter dem 25. Juni d. J. verkündet worden und hat am 1. Juli d. J. die Gesetzeskraft erlangt.
Indem Wir dies hiermit zur öffentlichen Kenntniß bringen, übernehmen Wir die Uns durch die Verfassung des Norddeutschen Bundes übertragenen Rechte, Befugnisse und Pflichten für Uns und Unsere Nachfolger in der Krone Preußen.
Wir befehlen, dieses Publikandum durch das Bundesgesetzblatt der Norddeutschen Bundes zu veröffentlichen.
Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.
Gegeben Bad Ems, den 26. Juni 1867.
(L. S.) Wilhelm.
Gr. v. Bismarck - Schönhausen.