Das öffentliche Gemeinwesen, welches eine auf einem bestimmten Gebiet ansässige Völkerschaft in der Vereinigung von Regierung und Regierten umfaßt. Diese Definition ist freilich keine allgemein angenommene; vielmehr gehen in der Wissenschaft die Ansichten über Wesen und Zweck des Staates sehr auseinander. Jedenfalls müssen folgende Requisite vorhanden sein, wenn von einem S. die Rede sein soll: Staatsgebiet, Regierung, Regierte und eine zeitentsprechende Organisation.

(Wesen und Zweck des Staates) in Auszügen

Die Geschichte lehrt uns, daß von eigentlichen Staaten erst dann die Rede sein kann, wenn eine größere Gesamtheit von Menschen zu einem gemeinsamen Organismus vereinigt ist. Die Familie mag als die natürliche Grundlage und als Ausgangspunkt dieses Organismus betrachtet werden; der S. selbst aber charakterisiert sich gerade im Gegensatz zur Familie dadurch, daß seine Angehörigen nicht durch das Band der Verwandtschaft, sondern durch eine besondere Organisation zusammengehalten werden, und das Charakteristische ebendieser Organisation besteht wieder darin, daß eine Vereinigung von Regierung (Staatsregierung, Gouvernement) einerseits und von Regierten (Staatsangehörigen, Staatsbürgern, Untertanen) andererseits gegeben ist. Endlich ist aber noch als wesentlicher Faktor des Staatsbegriffs das Vorhandensein eines bestimmten Gebietes (Staatsgebiet, Territorium) hervorzuheben, auf welchem sich jene Gesamtheit von Menschen dauernd niedergelassen hat. Der Zustand eines Nomadenvolkes ist die Negation des Staatsbegriffs. Diejenigen Rechte nun, welche der Staatsregierung und deren Inhaber, dem Staatsherrscher (Staatsoberhaupt, Souverän), als solchem zustehen die sogn. Hoheitsrechte, bilden den Ihnhalt der Staatsgewalt (Regierungsgewalt), welche namentlich insofern, als sie das Recht des Staatsherrschers zur Ausübung der Hoheitsrechte auf dem Staatsgebiet und in Ansehung der auf demselben lebenden Menschen (Territorialitätsprinzip) bedeutet, als Souveränität (Staatshoheit, Suprema potestas) bezeichnet zu werden pflegt. Das Subjekt der Staatsgewalt sowie die Art und Weise ihrer Ausübung durch ersteres, also die Staats- und Regierungsform, wird durch die Staatsverfassung (Konstitution) bestimmt. Wenn man aberferner die Staatsgewalt in die gesetzgebende, die richterliche und die vollziehende Gewalt (Exekutive) einzuteilen pflegt, so ist dies im Grunde nur eine Bezeichnung der verschiedenen Richtungen, nach denen hin die Staatsgewalt tätig ist; denn die Staatsgewalt selbst ist und bleibt unteilbar, einheitlich und ausschließend.

…Dagegen bezeichneten Kant und nach ihm Karl Salomo Zachariä und W. von Humboldt den S. als durch das Rechtsgesetz gerechtfertigt. Im  Zusammenhang damit stellt man den Schutz des Rechts als den eigentlichen Zweck des Staates (Rechtsstaat) hin.

Quelle:

Meyer´s Konversationslexikon 1890, vierte Auflage, fünfzehnter Band, Seite 195