Hand aufs Herz – lieben wir sie nicht alle, unsere guten, alten Märchen? Spannende Geschichten, böse Intrigen und ein glückliches Ende mit einer einwandfreien Moral – herrlich! Besondere Erwähnung finden unter diesem Aspekt unseres Erachtens die Märchen, die gerade auf friedensvertrag.info vom ehemaligen Reichskanzler persönlich erzählt werden.
Die Rollenverteilung ist klar:
Gut gegen Böse. Der hinterhältige Gegner scheint übermächtig, der Kampf aussichtslos. Unerschrocken stellen sich dennoch die guten Ritter zum Kampf. Die Schlacht beginnt und die Guten kämpfen heldenhaft. Schon bald aber werden die wackeren Recken von einer erdrückenden Übermacht überrannt. Blut fließt in Strömen. Mit unglaublicher Brutalität stürmen die dunklen Heerscharen vor und metzeln alles nieder. Die Völkerschlacht bei Leipzig mutet dagegen an wie ein Kindergeburtstag auf dem Ponyhof. Die Reihen der Guten lichten sich, das Böse scheint zu obsiegen. Zugegeben, der Heerführer der Guten, der strahlende Held in schimmernder Rüstung, der Retter des christlichen Abendlandes, hat das Schlachtfeld lieber erst gar nicht betreten und sich statt dessen vorsichtshalber in einer Bahnhofstoilette verschanzt, aber mal ehrlich: anders hätte er doch diesen feigen Anschlag gar nicht überlebt und könnte uns nicht so herrlich wahrheitsgetreu darüber berichten!
Und überhaupt nehmen es die Märchen mit den Details ja nicht so genau, und gerade das macht ihren Reiz aus. Wen schert es schon, daß der „von langer Hand geplante Zerstörungsversuch“ letztendlich ausgerechnet aufgrund einer „zu kurzen Vorbereitungszeit“ nur „dilettantisch durchgeführt wurde“ – an solchen Worthülsen darf man sich eben nicht stören. Und wo sonst, wenn nicht im Märchen, wird Trödel zu einem Haufen Gold (steuerfrei, natürlich)?
Nachdem nun die Schlacht verloren ist, wird es Zeit, die sichere Toilette zu verlassen und frei von Zwängen jeder Realität das Wunschergebnis zu propagieren – als eigenen Verdienst, versteht sich: Hochverräter entlarvt und alle Bösen entfernt – das Gute hat gesiegt - Hurra! Hurra! Hurra! Die heroisch für das Vaterland gestorbenen Kämpfer werden wieder zum Leben erweckt und alle Wunden geheilt (ja, solche Wunder gehören auch immer in ein Märchen), und alle sind glücklich.
Wer sich schlussendlich in wen verwandelt, warum sich der böse Wolf beim Anblick von Schwarzkäppchen übergeben mußte, was das Spieglein an der Wand dazu zu sagen hat und wem ein Dornröschenschlaf zu wünschen ist, wird die Fortsetzung der Geschichte zeigen. Und die Moral von der Geschicht: den Fürsten, den entthront man nicht! Oder anders gesagt: ich werde immer Euer ReichsWürstchen sein, egal, wie oft Ihr mich absetzt! Das hat mir die böse Schwiegermutter gesagt, und die soll schon Herrn Kohl beraten haben – der wollte ja schließlich auch nicht gehen … oder so ähnlich … Und wenn er nicht gestorben ist, dann ersinnt er gerade neue Heldentaten, die er nie begangen hat … Und nun gute Nacht, liebe Kinder!