Bedeutendster Staatsmann des 19. Jahrhunderts. Geboren am 1. April 1815 in Schönhausen, seit 1865 Graf und nach der Begründung des Deutschen Reiches 1871 von Wilhelm I. in den Fürstenstand erhoben, verstarb er am 30. Juli 1898 in Friedrichsruh nahe Reinbek bei Hamburg.

Nach dem Besuch des Gymnasiums "Zum alten Kloster" in Berlin studierte Bismarck Rechtswissenschaften an den Universitäten Göttingen und Berlin. Die nach eigener Aussage fadeste Zeit seines Lebens verbrachte er von 1836 bis 1839 in verschiedenen untergeordneten Stellungen im preußischen Staatsdienst. Nachdem er hieraus die Konsequenz gezogen hatte, arbeitete er als Deichhauptmann in Schönhausen und kümmerte sich um die Verwaltung und Sanierung seiner Rittergüter Kniephof (Hinterpommern) und Schönhausen (Altmark).

1847 wurde er pietistisch-konservativer Abgeordneter im vereinigten preußischen Landtag und profilierte sich als erzkonservativer Vertreter des pommerschen Landadels. Im gleichen Jahr heiratete er Johanna von Puttkamer. 1851 wurde er Gesandter Preußens beim Bundestag in Frankfurt am Main, wo er sich vor allem für die Wahrung preußischer Interessen gegenüber Österreich engagierte.

1859 wurde er als Botschafter nach Petersburg geschickt. An sich kein unbedeutender Posten, denn das im Osten an Preußen grenzende russische Zarenreich besaß für die preußische Politik einige Bedeutung. Allerdings hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass allerhöchste Kreise den selbst ihnen nicht immer geheuren Bismarck vor allem nicht in Berlin haben wollten. 1862 trat er seinen Dienst als Botschafter in Paris an, wo er Napoleon III. kennen lernte und seine in Petersburg erworbenen diplomatischen Fähigkeiten weiter vervollkommnen konnte.

Albrecht von Roon,
Preußischer Kriegsminister

Auf Betreiben seines Förderers, des preußischen Kriegsministers Albrecht von Roon wurde Bismarck am 23. September 1962 von Wilhelm I. zum preußischen Ministerpräsidenten, am 8. Oktober zusätzlich zum Außenminister Preußens ernannt. Vorausgegangen waren erbitterte Auseinandersetzungen des preußischen Königs mit der bürgerlich-liberalen Mehrheit des Landtages über die Heeresreform. Da Wilhelm I. einerseits von der unbedingten Richtigkeit seiner Position überzeugt war, andererseits dem Land aber einen möglicher Weise gewaltsamen Konflikt ersparen wollte, hatte er sich eigentlich schon zur Abdankung entschlossen und seinen, den bürgerlich-liberalen Kreisen und ihren Idealen näher stehenden Sohn, den Kronprinzen Friedrich Wilhelm, zur Übernahme des Throns gebeten. Während dieser noch aus Loyalität zu seinem Vater zögerte, brachte Kriegsminister von Roon den Grafen Otto von Bismarck ins Spiel und an die Macht.  Bis auf die Durchsetzung der Heeresreform, an der Wilhelm I. weiter festhielt und die Jahre später entscheidend zum Sieg zunächst über die Dänen, danach über Österreich und schließlich zur siegreichenen Abwehr des französischen Angriffs und damit zur deutschen Reichsgründung beitragen sollte, ließ er Bismarck weitestgehend freie Hand.

Als im Jahre 1864 der Konflikt mit Dänemark um die Herzogtümer Schleswig und Holstein aufbrach, nahm er den bürgerlichen Kreisen, die über die schleichende Annektierung der beiden Herzogtümer durch Dänemark überaus empört waren, in dieser Angelegenheit die Initiative ab, gewann Österreich als Verbündeten und brachte so die beiden, überwiegend von Deutschen bewohnten Herzogtümer unter die Obhut der beiden deutschen Staaten.

Doch schon bald nach diesem gemeinsamen Erfolg spitzte sich die Rivalität zwischen Preußen und Österreich um die Vorherrschaft in Deutschland wieder zu und mündete schließlich im preußisch-österreichischen Krieg von 1866. Durch den Sieg bei Königsgrätz konnte Preußen diesen Machtkampf für sich entscheiden und die Verhältnisse in Deutschland in seinem Sinne neu ordnen. Schleswig-Holstein, Hannover, Hessen-Kassel, Nassau und Frankfurt wurden Teil Preußens, der Deutsche Bund aufgelöst und für Norddeutschland durch den Norddeutschen Bund ersetzt. Unter Bismarcks Kanzlerschaft schloss dieser sogleich eine Reihe geheimer Militärbündnisse mit den süddeutschen Ländern ab. Auch das besiegte Österreich wurde, um Optionen für spätere Allianzen offen zu halten, mit größter Milde behandelt. Sehr zum Unwillen des Königs und des Offizierskorps verhinderte Bismarck sogar einen Einzug der preußischen Truppen in Wien, um unnötige Kränkungen zu vermeiden.

Der Sieg über die ehemalige deutsche Vormacht Österreich war ohne Zweifel ein Tag des Triumphes für Preußen. In dieser Situation kühlen Kopf zu bewahren und schon an den nächsten und übernächsten Schritt zu denken, war jedoch das, was Bismarck gegenüber den meisten seiner Politikerkollegen und Militärs auszeichnete, und charakterisiert letztlich auch den Unterschied zwischen einem weitsichtigen Staatsmann und einem vom Tageserfolg lebenden Politiker.

Doch der Sieg im deutsch-deutschen Krieg hatte nicht nur das Kräfteverhältnis innerhalb des bis dahin bestehenden Deutschen Bundes zu Gunsten Preußens verschoben, sondern auch das Kräfteverhältnis gegenüber der alten kontinental-europäischen Hegemonialmacht Frankreich. Schon in den voran gegangenen Jahren hatte man in Paris die Konsolidierung des preußischen Staates mit einigem Unbehagen verfolgt. War Mitteleuropa und insbesondere Deutschland bis dahin ein in zahllose Kleinstaaten zerfallener Flickenteppich, über und mit denen die Grande Nation Frankreich nahezu beliebig disponierte, war nun im Norddeutschen Raum erstmals ein Machtfaktor entstanden, der der Willkür französischer Politik Einhalt gebieten konnte.

Frankreich wurde zu dieser Zeit von Kaiser Napoleon III. regiert, der ähnlich wie Wilhelm I. mit einer starken bürgerlich-liberalen Opposition zu ringen hatte und seine Legitimation als Staatsoberhaupt vor allem über außenpolitische Erfolge bezog. Gerade die waren in den vergangenen Jahren aber rar geworden. Das mexikanische Abenteuer von 1865 war ungünstig für Frankreich ausgegangen und auch die versuchte Annexion Luxenburgs gescheitert. Zusätzlich wurde nun das Ansehen Frankreichs als kontinentaleuropäische Vormacht und damit auch der Thron Napoleons III. durch die preußischen Erfolge in Frage gestellt. Immer offensichtlicher wurde, das Frankreich nach einer Gelegenheit suchte, um den ungebetenen Emporkömmling Preußen für alle sichtbar in seine Schranken zu weisen, notfalls auch im Zuge einer militärischen Auseinandersetzung. Da das französische Heer zu dieser Zeit nach wie vor als die stärkste Militärmacht Europas galt, erschien das Risiko eines Krieges zudem denkbar gering.

Das Angebot Spaniens, ein Hohenzollern Prinz möge den spanischen Thron besteigen, bot schließlich die erhoffte Gelegenheit. Zwar gehörte Erbprinz Leopold nicht dem preußischen Herrscherhaus sondern der katholischen Linie Hohenzollern-Sigmaringen an, deren Verhältnis zu den protestantischen Preußen man eher als förmlich korrekt beschreiben mochte, und auch sonst war die kolportierte Legende von der Einkreisung Frankreichs kaum haltbar, aber wenn die Demagogen erst einmal ihr Werk begonnen haben, mag sich niemand mehr mit solchen Feinheiten aufhalten. Und so war es auch, wie sich herausstellen sollte allerdings nur in Frankreich selbst. Wäre es Frankreich tatsächlich um die Verhinderung der Thronkandidatur des Hohenzollern-Prinzen gegangen, hätte es dies mit relativ wenig Mühe, genauer gesagt politischen und militärischen Druck auf Spanien erreichen können, das zu dieser Zeit keinen besonderen Machtfaktor darstellte. Auch rein ursächlich hätte dies noch am ehesten Sinn gemacht, denn schließlich ging das Angebot ja von Spanien aus.

So ungeheuerlich Einmischung eines dritten Staates in die bilateralen Beziehungen zweier souveräner Länder für sich ist, bemühte man sich in Frankreich darüber hinaus, die Begleitumstände möglichst demütigend erscheinen zu lassen, so dass nach diesem Eingriff für jedermann und nicht zuletzt für das französische Volk klar sein sollte, wer in Europa das Sagen hat. Nach einer Reihe eskalierender Provokationen seitens der französischen Diplomatie schien schließlich ein ausreichender Kriegsvorwand gegeben und Frankreich erklärte Preußen den Krieg. Der Weitsicht und dem Geschick Bismarcks ist es zu verdanken, dass das militärisch eigentlich schwächere Preußen den mittlerweile zweiten kriegerischen Überfall Frankreichs des Jahreshunderts erfolgreich abwehren konnte und so zugleich die Voraussetzungen zur Gründung des Deutschen Reichs geschaffen wurden.

Bismarck wurde in Anerkennung seiner Verdienste in den Fürstenstand erhoben und für die kommenden 19 Jahre Deutscher Reichskanzlers und preußischer Ministerpräsident. Den Schwerpunkt seines Wirkens bildete in dieser Zeit die Sicherung des jungen Deutschen Reichs, das er ebenso wie Kaiser Wilhelm I. für territorial saturiert erklärte, gegen äußere Feinde. Insbesondere von Frankreich, das seine Niederlage und den Verlust seiner Vormachtstellung in Europa nie verwinden konnte, ging eine beständige Kriegsgefahr für Deutschland und Europa aus, denn aus der in Jahrzehnten, wenn nicht in Jahrhunderten gewachsenen Geringschätzung der Franzosen für seine östlichen Nachbarn wuchs in dem Maße blinder Hass, in dem man realisierte, dass diese sich emanzipiert hatten.

Bismarck im Gespräch mit Kaiser Wilhelm I. (Arbeitszimmer des Kaisers im 1955 durch die SED-Führung gesprengten Berliner Schlosses). Es ist schwer die beiden unterschiedlichen Charaktere und ihr Verhältnis zueinander in wenigen Worten zu beschreiben, eines lässt sich aber mit Sicherheit sagen: Jeder der beiden wäre ohne den anderen nicht die Hälfte Wert gewesen.

Bismarck gelang es jedoch, die Bedrohung aus dem Westen durch ein kompliziertes Bündnissystem sowie eine weitgehende außenpolitische Isolierung Frankreichs über Jahrzehnte hinweg einzudämmen und so den Frieden in Europa zu sichern. Hätte es ihn damals schon gegeben, wäre Bismarck allein für diese Lebensleistung ein sicherer Kandidat für den Friedensnobelpreis gewesen. Auch dies ein Umstand, der sich mit dem vulgärhistorischen Militarismusklischee mancher sicher kaum unter eine Pickelhaube bringen lässt. Auch versuchte er durch vergleichsweise milde Friedensbedingungen und die wohlwollende Duldung kolonialer Eroberungen den französischen Nationalismus in eine andere Richtung zu lenken, jedoch tragischer Weise letztlich ohne den erhofften Erfolg. Unermüdlich blieben die französischen Bemühungen, ein Revanche-Bündnis gegen Deutschland zu schmieden und mündeten schließlich 1914 in den bislang furchtbarsten Krieg, der nach einer insbesondere für Deutschland malträtierenden Phase des Nicht-Krieges ohne wirklichen Frieden erst 30 Jahre und viele Millionen Tote später sein tragisches Ende finden sollte.

Doch zurück in jene Zeit, in der Deutschland, das Deutsche Reich seine Politik so souverän gestalten konnte wie niemals zuvor und nie wieder danach. Zu den strategischen Bündnissen, die Bismarck abschloss, gehörte das Drei-Kaiser-Bündnis im Jahr 1872, der Zweibund mit Österreich von 1879, der nach dem Beitritt Italiens im Jahre 1882 zum Dreibund wurde und der Rückversicherungsvertrag mit Russland von 1887. Seine ebenso konsequente wie virtuose Politik der Friedensicherung trug ihm großes internationales Ansehen ein, auch bei Staaten, die ansonsten voneinander sehr abweichende Auffassungen hatten. Als ein sichtbares Zeichen der internationalen Wertschätzung ist der Berliner Kongress von 1878 zu werten, bei dem es Bismarck gelang, einen Ausgleich zwischen den zerstrittenen Staaten herbei zu führen und einen großen europäischen Krieg zu verhindern.

Erst im Jahre 1883 begann man unter dem Eindruck der zu diesem Zeitpunkt bereits großenteils gewaltsam durchgeführten Aufteilung der Welt auch im Deutschen Reich koloniale Erwerbungen und exterritoriale Militärbasen zur Sicherung der marinen Handelswege in Betracht zu ziehen. Verglichen mit den Eroberungen der alten Kolonialmächte sollten diese aber nie eine nennenswerte Bedeutung erlangen.

Zur Wahl des Reichstags führte Bismarck das allgemeine und gleiche Wahlrecht ein, mit dem Ergebnis, immer wieder gegen eine starke Opposition regieren zu müssen. Um die Macht der in der Zentrumspartei organisierten Katholiken zu relativieren, ließ er sich auf ein Zweckbündnis mit den Nationalliberalen ein und begann den sogenannten Kulturkampf. Um die Macht der immer stärker werdenden Sozialdemokratie zu begrenzen, erließ er nach einem missglückten Attentatsversuch 1878 die Sozialistengesetze. Zu seinen größten innenpolitischen Leistungen zählte neben der ausgesprochen positiven wirtschaftlichen Entwicklung die in ihrer Art damals geradezu revolutionären Gesetze zur Sozialversicherung, die er in den Jahren 1881 bis 1889 auf den Weg brachte und die unter Wilhelm II. noch weiter entwickelt wurden.

Es erscheint bemerkenswert, dass die bei weitem größten sozialen Fortschritte in Deutschland ausgerechnet von einer national-konservativen Regierung bewerkstelligt wurden. Die allgemeinen Verhältnisse mögen heute zwar (noch) bei weitem besser sein, als vor 100 Jahren, um jedoch die Leistungen einer Regierung oder eines Systems bewerten zu wollen, muss man stets die Frage stellen, basierend auf welcher Ausgangssituation wurden welche Fortschritte erzielt. So gesehen braucht - vorsichtig formuliert - keine Regierung des Kaiserreichs den Vergleich etwa mit der letzten sozialdemokratisch geführten Regierung unserer Zeit zu scheuen.  

Ein politisches Monument tritt ab. Bismarcks bewegende Abreise nach seiner Entlassung durch Kaiser Wilhelm II. im Jahre 1890. War Bismarck vorher schon die herausragende Persönlichkeit der europäischen Politik, wurde er nun zu der Kultfigur überhaupt. Die allermeisten Bismarckdenkmäler, die man noch heute in jeder nennenswerten Gemeinde findet, entstanden in der Zeit nach seiner Entlassung.

Im Jahre 1890 kam es zu unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten zwischen Bismarck und dem noch recht jungen Kaiser Wilhelm II. über die Arbeiterfrage, die letztlich dazu führten, dass Bismarck am 18.03.1890 zum Rücktritt gezwungen wurde. Obwohl nicht mehr Reichskanzler, blieb Bismarck im Bewusstsein seiner Landsleute nicht nur stets präsent, wenige Monate nach seiner Entlassung steigerte sich seine Popularität derart, dass regelrechte Pilgerfahrten zu seinem Altersruhesitz, dem Gut Friedrichsruh im Sachsenwald (Herzogtum Lauenburg, östlich Hamburg) in Mode kamen. Überall im Land wurden ihm zu Ehren Bismarckdenkmäler errichtet und zu seinem 80. Geburtstag erhielt er sage und schreibe 450.000 Glückwunschbriefe und Telegramme aus allen Teilen Deutschlands und der Welt.

Bismarck lehnt den so genannten "neuen Kurs" seines Nachfolgers Caprivi stets und öffentlich ab. Die 1894 öffentlich vorgenommene Aussöhnung mit Wilhelm II. blieb äußerlich. In seinen letzten Lebensjahren verfasste Bismarck seine "Gedanken und Erinnerungen", von denen die ersten beiden Bände 1898, der dritte und letzte Band aber erst 1921, lange nach seinem Tod erschien, um die darin namentlich genannten Personen zu schonen.